Prof. Dr. Hans Föllmer

 

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Wissenschaftlicher Werdegang
1960-1967
 
Studium, zunächst der Philosophie und Romanistik in Köln, dann der Mathematik, Philosophie und Physik in Göttingen, Paris und Erlangen
1967 Diplom in Mathematik
1967-1969 wissenschaftlicher Mitarbeiter (DFG) an der Universität Erlangen
1968 Promotion (Dr. rer. nat.)
1969-1972 Instructor für Mathematik am Massachusetts Institute of Technology und am Dartmouth College, New Hampshire
1972-1973 wissenschaftlicher Mitarbeiter (DFG) an der Universität Erlangen
1972 Habilitation, Ruf auf eine Professur für Mathematik an der McGill University
1973-1974
 
 
Professor (H3) für Mathematik an der Universität Frankfurt, Rufe auf ordentliche Professuren für Mathematik an den Universitäten Bielefeld und Bochum und für Statistik an der Universität Bonn, Emmy-Noether-Preis der Universität Erlangen (1973)
1974-1977 ordentlicher Professor für Statistik an der Rechts-und Staatswissenschaftlichen Fakultät der Universität Bonn
1977-1988 ordentlicher Professor für Mathematik an der ETH Zürich
1988-1994
 
Professor (C4) für Angewandte Mathematik an der Universität Bonn, Wissenschaftlicher Preis der Gesellschaft für Mathematik, Ökonomie und Operations Research (1989), Wahl als ordentliches Mitglied der Academia Europaea (1991)
seit 1994
 
 
Professor (C4) für Mathematik/Stochastik an der Humboldt-Universität zu Berlin, Wahl als ordentliches Mitglied der Deutschen Akademie der Naturforscher Leopoldina, der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften und des International Statistical Institute (1996)

Herausgebertätigkeit:
Mitherausgeber der Zeitschriften ,,Mathematical Finance`` (seit 1992), ,,Bernoulli`` (seit 1994), ,,Finance & Stochastics`` (seit 1995)
 

Die Schwerpunkte der Forschung liegen zum einen in der stochastischen Analysis und der Theorie der großen Abweichungen und zum anderen in der stochastischen Finanzmathematik. Die Forschung der Gruppe wurde unterstützt durch die Deutsche Forschungsgemeinschaft im Rahmen des SFB 373 (Projekt B4 ,,Stochastische Analysis von Optionen``), im Rahmen des Schwerpunktprogrammes ,,Interagierende stochastische Systeme von hoher Komplexität`` und im Rahmen der Berliner Graduiertenkollegs ,,Angewandte Mikroökonomik`` und ,,Stochastische Prozesse und probabilistische Analysis``, durch die Volkswagenstiftung (Kooperationsprojekt mit Mathematikern aus der GUS), INTAS (,,Stochastic Calculus: Theory and Applications in Financial Mathematics``) und durch das EU-Projekt ,,Stochastic Analysis`` (ERBF MRX CT96 0075 A). Die internationale Resonanz der Ergebnisse zeigt sich in zahlreichen Einladungen zu Plenarvorträgen, u.a. auf der ,,Conference on Mathematical Finance`` am Institute of Advanced Studies in Princeton (1997), dem ,,16th IMACS World Congress`` in Lausanne (2000) und dem ,,$3^d$ European Congress of Mathematicians`` in Barcelona (2000).
 

Projekt 1:
Stochastische Analysis und große Abweichungen

Beteiligte Wissenschaftler: H. Föllmer, A. Schied

Kooperationspartner: B. Djehiche (KTH Stockholm), Ph. Protter (Purdue University), M. Röckner (Universität Bielefeld), M. Yor (Université Paris VII) und die Partner im EEC-Projekt ,,Stochastic Analysis`` und im Kooperationsprojekt mit Mathematikern aus der GUS der Volkswagenstiftung.

H. Föllmer hat zusammen mit A. N. Shiryaev und Ph. Protter neue Varianten der fundamentalen Itô-Formel für die Brownsche Bewegung entwickelt. Diese Varianten beruhen auf neuen Existenzsätzen für die quadratische Kovariation jenseits der Klasse der Semimartingale und auf neuen Approximationssätzen für stochastische Integrale der Brownschen Bewegung. In Föllmer, Protter (2000) werden diese Untersuchungen auf den mehrdimensionalen Fall erweitert; dabei kommen potentialtheoretisch definierte Ausnahmemengen der Kapazität 0 ins Spiel. In Föllmer, Gantert (1997) werden unendlich-dimensionale Schrödingerprozesse untersucht, also unendlich-dimensionale Diffusionen, die unter geeigneten Nebenbedingungen an die Randverteilungen die relative Entropie bezüglich einer unendlich-dimensionalen Brownschen Bewegung minimieren. Insbesondere wird gezeigt, unter welchen Bedingungen ein fundamentaler Faktorisierungssatz von Schrödinger gilt, der es erlaubt, die Diffusion als Konditionierung der Brownschen Bewegung auf eine vorgegebene Endverteilung zu interpretieren. A. Schied arbeitet über Klassen wechselwirkender Teilchensysteme, denen gemeinsam ist, daß sie sich durch maßwertige Prozesse beschreiben lassen. So wurden in Röckner, Schied (1999) Systeme unendlich vieler Teilchen betrachtet, deren gegenseitige Beeinflussung durch ein superstabiles Potential gegeben ist, und deren Gleichgewichtsverteilungen, die sogenannten Ruelle- oder Poisson-Gibbs-Maße, von Interesse in der statistischen Physik sind. Die Motivationen für die weiteren Modellklassen entstammen der Biologie. So läßt sich mit Hilfe der hierarchisch interagierenden Markov-Ketten aus Schied (1997c) und Djehiche, Schied (1998) die Ausbreitung von Epidemien unter staatenbildenden Organismen beschreiben. Dawson-Watanabe-Superprozesse modellieren die räumliche und quatitative Dynamik einer Population von diffundierenden und sich teilenden Einzellern. In der Arbeit Schied (1999) wird ein sehr allgemeines Existenz- und Regularitätsresultat für solche Superprozesse gegeben, das auch dann greift, wenn das der Dynamik zugrundeliegende Medium stark inhomogen ist. In Schied (1997a) werden die geometrischen Aspekte des Dawson-Watanabe-Prozesses untersucht, wobei ein Zusammenhang zur intrinsischen Geometrie des Fleming-Viot-Prozessses gefunden wurde. Der letztgenannte Prozess wird in den Biowissenschaften als Modell für Kimuras Theorie der neutralen Selektion verwendet. In der stochastischen Analysis spielen die genannten maßwertigen Prozesse vor allem als explizit berechenbare Fallstudien für unendlichdimensionale stochastische Prozesse eine große Rolle. In diese Stoßrichtung zielen dann auch die Fragen nach der intrinsischen Geometrie in Schied (1997a) und Röckner, Schied (1999) sowie nach den großen Abweichungen in Schied (1997b), Djehiche, Schied (1998), Schied (1997c) und Schied (1998). Insbesondere die natürliche Geometrie unendlichdimensionaler Zustandsräume ist im allgemeinen noch nicht gut verstanden, und so besteht die Hoffnung, daß die expliziten Resultate über maßwertige Prozesse einen Einblick in die Natur der im unendlichdimensionalen auftretenden Phänomene geben kann.
 

Projekt 2:
Stochastische Finanzmathematik

Beteiligte Wissenschaftler: P. Bank, H. Föllmer, U. Horst, P. Leukert, Th. Schöckel, C.-T. Wu
 

Kooperationspartner: Y. Kabanov (Besancon), D. Kramkov (Steklov Institute und Tokyo Mitsubishi Finance, London), Ph. Protter (Purdue University), N. A. Shiryaev (Moscow University), M. Schweizer (Technische Universität Berlin), M. Yor (Université Paris VII) und die Partner in den Sonderforschungsbereichen 303 und 373

H. Föllmer hat im Kontext unvollständiger Finanzmarktmodelle, in denen das äquivalente Martingalmaß nicht mehr eindeutig bestimmt ist, die Struktur von Strategien des ``Superhedging'' zur perfekten Absicherung von Derivaten untersucht; vgl. Föllmer, Kabanov (1998) und Föllmer, Kramkov (1997). Strategien des Superhedging haben in der Regel einen sehr hohen Preis. Bei vorgegebenen Kostenrestriktionen stellt sich deshalb das Problem, effiziente Strategien zu konstruieren, die ein geeignet definiertes ,,Shortfall risk`` minimieren. Dieser Ansatz wurde in Föllmer, Leukert (1999,2000) und in der Dissertation von Leukert (1999) untersucht. Die mikroökonomische Modellierung heterogener Informationsstrukturen in Finanzmärkten führte auf probabilistische Probleme der stochastischen Filtertheorie; vgl. Föllmer, Wu, Yor (1999) und die Dissertation Wu (1999). Daraus ergab sich auch die Untersuchung einer neuen Klasse von ,,schwachen`` Brownschen Bewegungen; vgl. Föllmer, Wu, Yor (1999, 2000) In Zusammenarbeit mit dem Institut für Mikroökonomik I entstand die Dissertation von Riedel (1998) zur mikroökonomischen Fundierung von stochastischen Modellen für die Dynamik von Zinsstrukturen; sie wurde 1999 mit dem Humboldt-Preis ausgezeichnet. P. Bank arbeitet im Rahmen des Teilprojekts ,,Stochastische Analysis von Optionen`` im SFB 373 an der mathematischen Analyse intertemporaler Präferenzen auf Konsumströmen. Derartige Präferenzen sind von grundsätzlichem Interesse in der mathematischen Wirtschaftsforschung. Die zur Modellierung solcher Präferenzen in den Arbeiten von Hindy, Huang und Kreps eingeführten neuartigen Nutzenfunktionale dienen dabei als Ausgangspunkt und führen auf Probleme der stochastischen Optimierung mit singulären Lösungen. In Zusammenarbeit mit F. Riedel wurden Methoden der konvexen Analysis angewandt, um in Bank, Riedel (1998) für den deterministischen und in Bank, Riedel (1999) für den stochastischen Fall explizite Lösungen des Nutzenoptimierungsproblems anzugeben. Von zentraler Bedeutung ist dabei die Lösung einer neuartigen Form stochastischer Rückwärtsgleichungen, welche die aus der dynamischen Programmierung bekannte Rolle der Hamilton-Jacobi-Bellman Gleichung übernimmt. Schließlich liegen erste Ergebnisse zur allgemeinen Gleichgewichtstheorie für diesen Typ von Präferenzen vor. Ein weiteres Forschungsvorhaben stellt das Studium von Rückkopplungseffekten zwischen Anlagestrategien eines ,,großen`` Investors und dem Preis des gehandelten Wertpapiers dar. Hierzu wurde in Bank (1999) eine Erweiterung des Black-Scholes-Modells vorgestellt und auf Arbitragefreiheit untersucht. U. Horst arbeitet im Rahmen des Teilprojekts ,,Stochastische Analysis von Optionen`` im SFB 373 arbeitet Ulrich Horst über die Anwendung probabilistischer Interaktionsmodelle auf die Preisbildung auf Finazmärkten. Primär werden hierbei Markovsche Prozesse auf unendlichen Produkträumen auf ergodisches Verhalten untersucht, bei denen zugleich lokale und globale Signale in die Interaktion der einzelnen Agenten eingehen. In Horst (1999) wird ein reines `mean-field' Modell betrachtet. Die makroskopische Dynamik solcher Prozesse verhält sich unter geeigneten Bedingungen ergodisch, kann jedoch starke Fluktuationen aufweisen, welche sich auf die Preisentwicklung eines Wertpapieres übertragen. Die Analyse lokal und global interagierender Markovscher Prozesse mit interaktiven Übergangsdynamiken steht vor ihrem Abschluss. Unter geeigneten Voraussetzungen kann gezeigt werden, dass die makroskopische Dynamik solcher Prozesse (bedingt) deterministisch ist und sich diese Dynamik ebenfalls ergodisch verhält. Auf der mikroskopischen Ebene kommt es dabei zu einem lokalen asymptotischen Gedächtnisverlust. In Horst (2000) wird die durch die Interaktion verschiedener Typen von Agenten induzierte Preisdynamik eines Wertpapieres untersucht. Vom mathematischen Standpunkt aus geht es dabei um die Analyse einer stochastischen Differenzengleichung in einer nicht stationären Umgebung. Diese Umgebung wird durch einen lokal und global interagierenden Markov Prozess generiert, welcher die Preiserwartungen der einzelnen Agenten beschreibt. Verhält sich die makroskopische Dynamik dieses Prozesses ergodisch und unterstellt man eine affin lineare Preisdynamik, so konvergiert der induzierte Preisprozess in geeigneter Weise gegen einen eindeutigen stationären stochastischen Prozess.
 

Publikationen

[1]
Bank, P.: No Free Lunch for Large Investors, Discussion paper 37, Sonderforschungsbereich 373, Humboldt-Universität zu Berlin, 1999.
[2]
Bank, P.; Riedel, F.: Non-Time Additive Utility Optimization - the Case of Certainty, Discussion paper 108, Sonderforschungsbereich 373, Humboldt-Universität zu Berlin, 1998. Erscheint in: Journal of Mathematical Economics.
[3]
Bank, P.; Riedel, F.: Optimal Consumption Choice under Uncertainty with Intertemporal Substitution, Discussion Paper 71, Sonderforschungsbereich 373, Humboldt-Universität zu Berlin, 1999.
[4]
Djehiche, B.; Schied, A.: Large deviations for hierarchical systems of interacting jump processes. J. Theor. Probab. 11 (1998) 1, 1-24.
[5]
Föllmer, H.: Zur Versicherungsmathematik von Derivaten. Der Aktuar 3/4 (1997), 158-161.
[6]
Föllmer, H.; Gantert, N.: Entropy minimization and Schrödinger processes in infinite dimensions. Annals of Probability 25 (1997), 901-926.
[7]
Föllmer, H.; D. Kramkov: Optional decompositions under constraints. Probab. Theory Relat. Fields 109 (1997), 1-25.
[8]
Föllmer, H.: Vom Leibniz-Kalkül zur stochastischen Analysis: Reines und Angewandtes aus der Mathematik zufälliger Schwankungen. Leopoldina (R.3) 43 (1998), 249-257.
[9]
Föllmer, H.: Ein Nobelpreis für Mathematik? DMV-Mitteilungen 1/98 (1998), 4-7.
[10]
Föllmer, H.; Kabanov, Y.: Optional decomposition and Lagrange multipliers. Finance and Stochastics 2 (1998) 1, 69-81.
[11]
Föllmer, H.; Küchler, U.: Richard von Mises. In: Mathematics in Berlin (Eds. H.G.W. Begehr, H. Koch, J. Kramer, N. Schappacher, E.-J. Thiele), 111-116. Birkhäuser, Basel, 1998.
[12]
Föllmer, H.; Leukert, P.: Efficient hedges: cost versus shortfall risk. Preprint, Humboldt-Universität, 1998. Erscheint in: Finance and Stochastics.
[13]
Föllmer, H.: Der Zufall in den Wirtschaftswissenschaften: Zur Rolle der Wahrscheinlichkeitstheorie in der Theorie der Finanzmärkte. Nova Acta Leopoldina NF 79, Nr. 308 (1999), 113-125.
[14]
Föllmer, H.; Leukert, P.: Quantile Hedging. Finance and Stochastics 3 (1999), 251-273.
[15]
Föllmer, H.; Protter, Ph.: On Itô's formula in several dimensions. Preprint, Humboldt-Universität, 1998. Erscheint in: Prob. Theory and Relat. Fields.
[16]
Föllmer, H.; Wu, C.T.; Yor, M.: Canonical decomposition of linear transformations of two independent Brownian motions. Stochastic Processes and Their Applications 84 (1999) 1, 137-164.
[17]
Föllmer, H.; Wu, C.T.; Yor, M.: Weak Brownian motions of arbitrary order. Preprint, Humboldt-Universität, 1999. Erscheint in: Annales Inst. Henri Poincaré.
[18]
Horst, U.: Ergodic Fluctuations in a Stock Market Model with Interacting Agents - The Mean Field Case, Discussion Paper 106, Sonderforschungsbereich 373, Humboldt-Universität zu Berlin, 1999.
[19]
Horst, U.: The Stochastic Equation P(t+1)=A(t)P(t)+B(t) with Non-Stationary Coefficients, Discussion Paper 5, Sonderforschungsbereich 373, Humboldt-Universität zu Berlin, 2000.
[20]
Leukert, P.: Absicherungsstrategien zur Minimierung des Verlustrisikos. Dissertation, Humboldt-Universität zu Berlin, 1999.
[21]
Riedel, F.: The influence of Investors' Heterogeneity on the Term Structure. Dissertation, Humboldt-Universität zu Berlin, 1998.
[22]
Röckner, M.; Schied, A.: Rademacher's theorem on configuration spaces and applications. J. Funct. Analysis 169 (1999), 325-356.
[23]
Schied, A.: Geometric aspects of Fleming-Viot and Dawson-Watanabe processes. Ann. Probab. 25 (1997a) 3, 1160-1179.
[24]
Schied, A.: Moderate deviations and functional LIL for super-Brownian motion. Stoch. Proc. Appl. 72 (1997b), 11-25.
[25]
Schied, A.: Large deviations for hierachically interacting Markov chains. In: Workshop on probability theory and its applications (Eds.: P. Eichelsbacher, M. Löwe), Preprint, Universität Bielefeld, 1997c.
[26]
Schied, A.: Cramer's condition and Sanov's theorem. Stat. Probab. Letters 39 (1998), 55-60.
[27]
Schied, A.: Existence and regularity for a class of infinite-measure $(\xi,\psi,K)$-superprocesses. J. Theor. Probab. 12 (1999) 4, 1011-1035.
[28]
Wu, C.-T.: Construction of Brownian motions in enlarged filtrations and their role im mathematical models of insider trading, Dissertation, Humboldt-Universität zu Berlin, 1999.